Heute Samstag exklusiv in der TT: Wenn es Asche vom Himmel regnet
Von Jasmine Hrdina
Wildschönau – Gibt es in der Wildschönau einen aktiven Vulkan? Wohl kaum. Darum machte sich Tanja Teufel am Donnerstagvormittag auf die Suche nach jenem Schlund, aus dem offensichtlich Asche quoll. Sie wollte gerade ihre Tochter in den Kindergarten im Ortsteil Oberau bringen, als sie die vielen kleinen grauen Tupfen im Schnee bemerkte. Auch ihre Terrassenmöbel und Stiegen waren mit Staub bedeckt. Die Spuren führten die zweifache Mutter schließlich zum Biomasse-Heizwerk nur wenige Meter von ihrem Haus entfernt. Schnell stellte Teufel fest: Überall in der unmittelbaren Umgebung hatte sich eine Ascheschicht abgelagert.
Das Seltsame daran: Das Heizwerk war seit dem Vortag außer Betrieb. „Wir haben den Strom aufgrund einer Wartung am Mittwoch um 13.27 Uhr abgeschaltet“, erklärt Michael Weißbacher, Sprecher der Bäuerlichen Heizgenossenschaft Wildschönau, die das Werk betreibt. Eventuell habe sich ein Gebläse aktiviert und die Asche aus dem Kamin geblasen. Es handle sich um den ersten Vorfall dieser Art, wie auch die Nachbarschaft bestätigt.
Wie in einem Vulkan brodelt es rund um das Heizwerk aber schon seit fast zwei Jahrzehnten. Anrainer fühlen sich immer wieder durch die Rauchentwicklung gestört. „Es ist eine furchtbare Lebenssituation, wenn man an gewissen Tagen nicht einmal das Fenster aufmachen kann“, meint Teufel. Auch die Sorge um die Kinder des Hochtals wird nicht weniger – immerhin sind Volksschule, Neue Mittelschule und Kindergarten nahe an der Biomasse-Anlage angesiedelt, direkt hinter dem Werk wird derzeit der neue Kindergarten mit Kinderkrippe errichtet. „Feinstaub ist immer da, auch wenn man ihn nicht sieht. Und die Kinder essen ja auch den Schnee, auf dem die Asche landet“, sorgt sich die Kinderkrankenschwester und fordert: „Die Schule muss die Eltern darüber informieren!“
Die Vizeleiterin der NMS Claudia Gassner wollte auf Nachfrage der TT keine Stellungnahme zu dem Thema abgeben, der Direktor war nicht im Dienst. Volksschuldirektorin Stefanie Rauscher habe von den Problemen, die vom Biomasse-Werk ausgehen in ihrer eineinhalbjährigen Tätigkeit in Oberau nichts mitbekommen.
„Nach dem Unterricht wird in der Anlage erst richtig losgelegt“, will Anrainer Josef Schroll wissen. Seit Jahren führt er einen Kampf gegen die Werkbetreiber, wollte bereits die Umsiedelung der Anlage herbeiführen. Doch auch 640 Unterschriften aus der Gemeinde halfen nicht. Zwar hatten die Betreiber nach einem alternativen Standort in Oberau gesucht, doch das Projekt wäre die Investoren zu teuer gekommen. Von Kosten zwischen 1,5 und 3,6 Mio. Euro spricht Genossenschaftsvertreter Weißbacher. „Wir machen über die gesetzlichen Bestimmungen hinaus alles, was technisch möglich ist, um die Situation zu verbessern“, versichert er. 600.000 Euro habe man in den vergangenen drei Jahren investiert. Nun will man auch noch den Kamin verlängern, „obwohl der schon lang genug ist“.
Regelmäßig schicken die Behörden Gutachter vorbei, immer wieder seien diese zum selben Ergebnis gekommen: Alle Auflagen sind erfüllt, die Messwerte liegen sehr weit unter den bedenklichen Bereichen. „Eine Gesundheitsbelastung ist laut Experten auszuschließen“, erklärt auch Bürgermeister Johannes Eder. Erst am Mittwoch seien Sachverständige des Landes Tirol vor Ort gewesen und hätten grünes Licht gegeben. Der abschließende Bericht liegt der Abteilung ESA (Emissionen – Sicherheitstechnik – Anlagen) noch nicht vor, heißt es aus Innsbruck.
Das Problem, so nehmen sowohl Anrainer, Werkbetreiber als auch BM Eder an, sei das Wetter. An manchen Tagen herrsche Inversionslage, dann würden sich die Emissionen nicht mit der Luft verdünnen und verteilen, sondern sofort auf die Nachbarhäuser niedergehen.
Eine Langzeitmessung der Emissionswerte samt Wetterstation muss her, fordern die Anrainer nun. Bisher gebe es nur subjektive Wahrnehmungen über den Zusammenhang von Wetter und Ausstößen. Für wissenschaftlich fundierte Erkenntnisse zeigt sich auch die Genossenschaft offen. Aber die Frage, wer diese finanzieren soll, verhallt im Hochtal. BM Eder rechnet mit 6000 Euro pro Messstation und Monat – drei Messpunkte braucht es laut Weißbacher aber, um verlässliche Daten erhalten zu können. „Sollte sich jemals herausstellen, dass es eine Gesundheitsbelastung gibt, werden wir zusperren“, sagt Weißbacher gegenüber der TT.
2002 wurde das Kraftwerk von den 14 Mitgliedern der Genossenschaft (60 Prozent Landwirte, Rest Unternehmer) ins Leben gerufen, „um das eigene Holz im Tal verarbeiten zu können. Wir sind nicht auf Gewinn aus“, versichert Weißbacher. Als Besitzer von fünf der 16 vom Werk versorgten Gebäude ist die Gemeinde Wildschönau der größte Kunde.
Die Kosten für die Reinigung nach dem Ascheregen will die Genossenschaft jedenfalls übernehmen.